04.12.2015

Einsatz gegen den IS – Fragen und Antworten

1. Warum entsenden wir Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Einsatz gegen den IS?

Mit den menschenverachtenden Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 hat der IS nicht nur Frankreich, sondern den europäischen Raum der Freiheit und des Rechts angegriffen. Der Angriff galt unserer Lebensweise und unseren Werten, er galt damit auch uns. Dagegen müssen wir uns verteidigen. Der IS stellt aufgrund seiner Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar.

Frankreich hat alle EU-Mitgliedstaaten um Beistand nach der EU-Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages) gebeten. Wir stehen solidarisch an der Seite unserer Freunde und Partner in Frankreich.

2. Auf welcher Rechtsgrundlage basiert der Einsatz der Bundeswehr?

Rechtsgrundlage des Einsatzes ist Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (Recht auf kollektive Selbstverteidigung). Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit im Sinne unseres Grundgesetzes.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist anerkannt, dass ein Staat sich (auch mithilfe anderer Staaten) gegen Angriffe eines internationalen Terrornetzwerks verteidigen darf. Für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist es nicht erforderlich, dass stets eine ausdrückliche Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der VN-Charta vorliegt. Ansonsten wäre die Bestimmung des Artikels 51 der VN-Charta überflüssig. Das Selbstverteidigungsrecht besteht vielmehr so lange, bis es dem Sicherheitsrat gelingt, mittels einer Kapitel-VII-Resolution die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Dies ist bislang nicht erfolgt.

Verstärkende Legitimationswirkung für die Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts entfaltet die Sicherheitsratsresolution 2249. Sie ist zwar keine Resolution nach Kapitel VII der VN-Charta. Sie stellt aber mit den Formulierungen des Kapitel VII fest, dass der IS eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ist. Daher ruft der Sicherheitsrat die Staaten dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Terrorakte des IS zu verhindern. Ergänzend stützt sich der Einsatz auf die EU-Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages. Auf dem Treffen des Rates der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17. November 2015 haben alle Mitgliedstaaten einhellig den französischen Antrag nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag unterstützt und ihren Beistand zugesichert.

3. Was ist das Ziel des Einsatzes und in welche Gesamtstrategie ist der Einsatz eingebettet?

Unser Ziel ist die Verhütung und Unterbindung terroristischer Anschläge. Zugleich müssen wir erreichen, dass der IS keine Gräueltaten mehr an der Zivilbevölkerung begehen kann. Die Menschen müssen in der Region endlich wieder in Frieden leben können. Die Bekämpfung des IS erfolgt nach dem Ansatz der Vernetzten Sicherheit. Das umfasst diplomatische, entwicklungspolitische, polizeiliche und notfalls auch militärische Mittel.

4. Steigt in Deutschland die Anschlagsgefahr durch den Einsatz?

Es wäre ein Trugschluss zu glauben, durch Nichthandeln werde die Bedrohungslage in Deutschland geringer. Deutschland befand sich auch vor dem Mandatsbeschluss schon im Fokus der Islamisten. Das zeigen die verschiedenen Festnahmen wie der „Sauerland-Gruppe“ oder die Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover Mitte November. Zudem leisten wir bereits seit über einem Jahr Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe an kurdische Peschmerga im Kampf gegen den IS. Es wäre falsch, wenn wir unsere politischen Entscheidungen davon abhängig machten, ob dadurch ggf. Anschläge durch den IS bei uns provoziert würden. Das wäre nicht im Sinne unserer freiheitlichen Demokratie. Dann hätte der islamistische Terrorismus gewonnen. Auch zwei Deutsche kamen in Paris ums Leben – allein weil sie mit den Franzosen und Bürgern vieler anderer Nationen unser europäisches Leben lebten.

5. Wie sieht unsere Exit-Strategie aus?

Wir wollen mit dem Einsatz der Bundeswehr die Voraussetzungen dafür schaffen, dass lokale Kräfte den IS aus Syrien und dem Irak zurückdrängen können. Um den Menschen wieder eine Perspektive für ein friedliches Zusammenleben in ihrer Heimat zu bieten, setzen wir vor allem auf den politischen Übergangsprozess, der derzeit in Wien verhandelt wird. Die Dauer des Einsatzes hängt vor allem davon ab, wie schnell und erfolgreich der Wiener Prozess für eine politische Lösung des Syrien-Konfliktes verläuft. Je früher sich die Akteure bei den Verhandlungen in Wien auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den IS einigen können, desto eher werden wir am Ziel sein. Das Mandat für den Bundeswehr-Einsatz ist auf 12 Monate befristet. Vor einer Verlängerung werden wir den Einsatz sorgfältig evaluieren und – wo nötig – nachsteuern.

6. Wird es eine Zusammenarbeit mit dem syrischen Präsidenten Assad geben?

Klar ist: Es wird keine Zusammenarbeit mit Assad geben und auch nicht mit Truppen unter der Führung Assads. Wir setzen auf den diplomatischen Verhandlungsprozess in Wien, der einen politischen Übergang in Syrien weg von Assad einleiten soll.

Klar ist aber auch: Wir müssen die Staatlichkeit Syriens erhalten, denn im Falle eines Staatszerfalls droht neue Gewalt. Deshalb gilt es, nach einem Waffenstillstand und nach freien und fairen Wahlen den Soldaten in der syrischen Armee eine Perspektive zu bieten und sie in den Wiederaufbau Syriens einzubinden. Ohne diese Perspektive würden sich viele dieser Soldaten voraussichtlich dem IS anschließen. Diese bittere Erfahrung aus dem Irakkrieg gilt es zu vermeiden.

7. Warum wird über das Mandat binnen einer einzigen Sitzungswoche entschieden?

Frankreich hat uns nach den menschenverachtenden Terroranschlägen in Paris um Beistand gebeten. Diesen Beistand wollen wir Frankreich schnellstmöglich leisten. Das ist auch eine Frage der Solidarität für unsere französischen Freunde und eine Frage der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner.

Der IS steht derzeit durch den Verlust von Gebieten und Ölliefereinrichtungen unter Druck. Diese Gelegenheit gilt es zu nutzen. Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. So haben wir in Sondersitzungen der beteiligten Bundestagsausschüsse sowie in den Plenardebatten sorgfältig abgewogen, welche Argumente gegen und für den Einsatz sprechen. Insbesondere hatten wir eine ausführliche und intensive Diskussion in unserer Fraktionssitzung. Die Grundlagen für die Entscheidung liegen damit vor.